Zum EZ-Artikel am 3.11.2014 mit dem Titel „Zum Finale wird’s politisch“ und als Statement folgende Anmerkungen von Dr.-Ing. Franz Hein:

Hoffentlich kann ich aus der Veranstaltung am 4.11.2014 mitnehmen, dass die Energiewende auf breiter Front wirklich gewollt wird. Ferner dass erkannt wird, dass es sich bei diesem geradezu extremen Vorhaben nicht bloß um eine Energiewende, sondern um einen totalen Umbruch handelt. Wir müssen grundlegend unser Energiesystem von fossilen Rohenergien komplett auf den ständigen Zustrom an Energie von der Sonne umstellen und das noch rechtzeitig vor dem Versiegen der bisher nahezu sorglos verbrauchten, über Millionen von Jahren angesammelten Vorräte an fossilen Energien als Überreste früherer Lebewesen.

Dieser Umstieg erfordert, dass wir uns alle der Verantwortung für die weitere Nutzbarkeit des „Lebensmittels“ Energie bewusst werden und entsprechend handeln. Dazu genügt es nicht, nur „politisch“ zu werden, wir müssen vielmehr endlich das Energiesystem als riesige Maschine achten lernen, in der die Physik und nicht der Markt oder die Politik die Hauptrolle spielen.

Die Marktgläubigkeit und die Ignoranz der physikalischen Gesetzmäßigkeiten sehe ich inzwischen als die größten Gefahren, welche das Gelingen der Energiewende beeinträchtigen oder gar verhindern. Dazu gehört allerdings noch die Sucht, auch Unbundling genannt, das Gesamtsystem in immer noch mehr Marktrollen aufzutrennen. Ferner rechne ich zu den großen Gefahren eine typisch deutsche Übertreibung, die sich in einer Vielzahl von Vorschriften und Gesetzen widerspiegelt. Damit wird die Entmündigung der Bevölkerung und inzwischen einer ganzen Branche Vorschub geleistet.

Die fatalen Folgen der Marktgläubigkeit sind uns seit dem 2. Weihnachtsfeiertag in 2009 bekannt, als erstmalig negative Börsenpreise für die Kilowattstunde an der Leipziger Börse auftraten und wir für das Abnehmen der überschüssigen Energie an Nachbarländer noch Geld zahlen mussten. Seither hat nahm die Anzahl solcher Vorfälle weiterhin zu, ohne dass die Marktrahmenbedingungen, die eindeutig physikalische Gesetze außer Kraft setzen wollen, geändert wurden. Auch bei der letzten Novellierung immer noch nicht. Ich erwarte nun – bitte die sarkastische Übertreibung zu beachten – dass endlich die Kirchhoffschen Gesetze, die eindeutig mit dem EEG kollidieren, novelliert werden.

Das bisher einseitig ausgerichtete Vorgehen, fixiert fast ausschließlich auf den Zubau an Erzeugungskapazität für regenerative Energien, hat dazu geführt, dass die Energiebevorratung völlig vergessen wurde. Der zeitliche Verlauf der Leistung wurde ausgeblendet. Beispielsweise ist die gesicherte Leistung der Photovoltaik in der Nacht doch tatsächlich gleich Null. Auch ausgeblendet wurde, dass vom Ort der Energieeinspeisung zum Ort der Energienutzung ein Energietransport nötig ist. Das Netz wurde als unendlich leistungsfähig und auch als unendlich leitfähig „postuliert“ und nur noch als Plattform für den Energiehandel gesehen, nicht aber mehr als das Rückgrat der Energieversorgung von uns allen, in dem der Energietransport Verluste verursacht und eine (n-1)-Sicherheit als eine der wichtigsten Bedingungen für einen stabilen Netzbetrieb erfüllt sein muss.

Das total übertriebene Unbundling und die Gesetzesflut mit extrem ins Detail gehenden Vorschriften muss ich anprangern. Die Liberalisierung sah vor, dass die Netze diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden, nicht aber die total übertriebene Auftrennung bestehenden Strukturen in eine überbordende Anzahl von Marktrollen. Das zerstört die Sicht auf das Gesamtsystem nachhaltig. Besonders problematisch sind die in Gesetzestexten eingegangene Vorbereitung der Fernsteuerung und das zentrale Abregeln von erneuerbaren Energiequellen. Dies ist ein gesetzlich vorbereiteter Blackout, weil jedwede Steuerung von außen im Internet und mit Methoden der Informations- und Kommunikationstechnik massenhaft und gleichzeitig missbraucht werden kann. Damit ist Hackern, Terroristen und feindlichen Mächten der Boden bereitet, das Energiesystem durch einen einzigen Befehl, der sich massenhaft verbreitet, lahm zu legen. Statt Fernsteuern müssen wir Orchestrieren und in den Energiezellen autonom netzdienlich handeln. Das allerdings wäre ein eigener Vortrag.

Gegenwärtig versuche ich deshalb, gegen diesen Irrsinn anzukämpfen und auch, dass nicht nur die Minimierung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Blackouts versucht wird. Wichtiger ist, dass wir uns alle durch entsprechende Vorbereitungen und Ertüchtigungen in allen Energiezellen des Gesamtsystems die Minimierung der Ausfallzeit bei einem trotz aller Vorkehrungen eintretenden Ausfalls vornehmen. Aber wir bauen Kraftwerke ab und machen das Energiesystem fortlaufend verletzlicher.